Das Cats Desaster

Vor sehr vielen Jahren – ich war sicherlich zu jung dafür – sah ich tatsächlich die Musical- Aufführung von Cats in Hamburg. Und ich hasste sie. Nicht nur die kaum vorhandene Geschichte, oder die teilweise wirklich schrecklichen Gesangsstücke (vielleicht bis auf den Klassiker Midnight). Vor allem hasste ich die Übersetzungen, die so holprig, völlig ohne Esprit und Versmaß in den vorhandenen Rhythmus gequetscht wurde und von Darstellern performed wurden, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren und ihren Text offenbar nur phonetisch eingeübt hatten.

Aber es scheint auch schlimmer zu gehen, wie die aktuelle Neuverfilmung des Musicals zeigt. Cats 2019 dürfte vermutlich in die Annalen als schlechtester Film des Jahrtausends eingehen und man muss sich fragen, wie es soweit kommen konnte. Ich muss voraus schicken, den Film tatsächlich nicht gesehen zu haben, daher soll dies keine Kritik am eigentlichen Film werden. Ich frage mich eher, wie ein Filmstudio offenbar alle Warnhinweise ignorieren konnte und es wagte, einen bereits nach dem ersten Trailer von der breiten Mehrheit gehassten, nicht fertigen Streifen gegen die finale Star Wars Episode antreten zu lassen.

Der Trailer kam im frühen Sommer heraus und weckte zu der Zeit noch große Erwartungen. Inszeniert vom Oscar prämierten Regisseur Tom Hooper und gespickt mit einem A-Listen Cast, galt Cats zu den kommenden Oscar Anwärtern. Nur wenige Minuten nach Veröffentlichung des Trailers war allen klar, dass Cats gnadenlos untergehen würde. Man sah Monstrositäten, pelzige Katzen-Mensch-Hybriden, mit menschlichen Gesichtern, katzenartigen Nasen und Ohren, Schwänzen, behaarten Brüsten, die teils nackt, oder in Pelzmänteln unterwegs waren und deren Gesamterscheinung einem schrecklichen Fiebertraum entstammen mussten. Die Aufregung war groß, Cats erhielt maximale Publicity, die Meinungen waren bereits zu diesem Zeitpunkt vernichtend.

Kurz zuvor hatten die Macher des Films „Sonic the Hedgehog„ Ähnliches erlebt. Nach Erscheinen des ersten Trailers gingen Fans auf die Barrikaden ob der unbegreiflich schlechten Umsetzung und Gesamt-Designs des titelgebenden Igels. Nichts an diesem Gebilde erinnerte an den liebgewonnenen Helden aus den Konsolen-Spielen. Das Filmstudio gelobte sofort Besserung, zog sich zurück, designte Sonic komplett neu und überarbeitete alle CGI Effekte des Films. Egal, ob der Streifen am Ende ein Erfolg werden würde, an Sonics Aussehen sollte es nicht mehr liegen. Er sah aus, als sei er direkt vom Mega Drive auf die Leinwand gesprungen.

Nichts dergleichen schien man bei Cats getan zu haben. Zwar gab Universal nach dem für sie überraschenden Medienaufruhr bekannt, sofortige Nacharbeiten anzuordnen. Geändert wurde aber entweder nichts, oder zu wenig. Kein weiterer Trailer wurde veröffentlicht, dafür gab es ein Berichterstattungs-Embargo bis zwei Tage vor Veröffentlichung (nicht unüblich, aber immer ein schlechtes Zeichen). Und dann wurde es noch schlimmer. Waren es zuvor nur Trailer- Zuschauer, die Cats verrissen, schlug nun die Stunde der Medien, der professionellen Kritiker. Und sie alle zerrissen Cats in der Luft, zählten genüsslich alle Verfehlungen auf, jeden Fehler, den man beim Story-Telling, beim Design, beim Casting, bei der grundsätzlichen Umsetzung gemacht hatte.

Das Studio hatte zuvor noch eilige Verbesserungen und Anpassungen versprochen und dieses Versprechen offenbar nicht eingehalten oder gar nicht einhalten können. Denn offenbar war einfach alles an dem Film falsch. Die Versuche, das Kind im Brunnen noch zu retten gingen gar soweit, zwei Tage nach Premiere Mails an über 3000 Kinobetreiber zu verschicken, dass es in Kürze ein Update des Films gäbe, mit angepassten Digital-Effekten. Ein bis dahin einzigartiges Vorgehen und nur von Spieleherstellern bekannt. Ein Day One Patch für einen Kinofilm, der bereits in den Kinos lief.

Und genau hier stellt sich die Frage, was Universal sich dachte. Wie konnte es soweit kommen? Wie kann ein Film, der von einer Hundertschaft von Profis erstellt wird, zu einem solchen Desaster werden? Hat keiner der Produzenten, Drehbuchautoren, Effekt-Spezialisten irgendwann seine Stimme erhoben und gesagt „Ich fürchte, das geht alles in die Hose.“? Gab es keine Test-Screenings? Hat man den Film nicht, wie branchenüblich, mit echten Zuschauern getestet? Warum wurde das Design, der Schnitt nach dem vernichtenden Trailer offenbar nicht angepasst? Warum kam der Film dennoch in die Kinos, obwohl es offensichtliche Fehler bei den CGI Effekten gab? Warum nahm man dazu auch noch das Risiko in Kauf, weiteren Spott auf sich zu ziehen, indem man eine angepasste Version in die Kinos brachte und versucht, das gesunkene Schiff, dadurch noch zu retten? Warum wurde der Filmstart nicht einfach verschoben? Vielleicht 6 Monate, um alles noch einmal zu überarbeiten?

Mir mag nur eine Erklärung einfallen: Reines Kalkül. Das Filmstudio dachte sich womöglich, dass Cats niemals zu retten sei, egal wie viel Geld man noch rein steckte. Der Film hätte neu konzipiert und neu gedreht werden müssen und die knapp 100 Millionen Dollar Produktionskosten wären verloren. Wie geht man stattdessen mit einer solchen Situation um? Man nutzt sie. Man spielt mit ihr und platziert den Film ganz bewusst nicht mehr als Meisterwerk, sondern als das schreckliche Chaos, das er nunmal ist. Und hofft zwar nicht mehr auf Erfolg an der Kinokasse, sondern bei Bluray-Verkäufen und Streaming. Der Film könnte ein Kult-Klassiker werden, so schlecht, dass er schon wieder gut ist. Menschen sind neugierig, wollen das Grauen sehen, sich daran ergötzen und darüber lustig machen. Und selbst dafür geben sie Geld aus. Der Film würde ein Klassiker bei Trinkspielen und platziert sich zwischen Sharknado und Iron Sky in Tele 5 Ausstrahlungen der schlechtesten Filme aller Zeiten. Wenn schon mies, dann aber richtig.

Ich bin gespannt, ob diese Rechnung aufgehen wird. Neugierig auf den Film bin ich natürlich. Verdammt clevreres Marketing.

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