Du sollst keine anderen Medien neben mir haben

Noch vor wenigen Jahren fragte ich mich, weshalb es im deutschen Fernsehen keine vernünftigen Sendungen über Kino, Spiele, Internet und Literatur gibt. Immerhin handelt es sich doch um Medien, die mindestens so interessant wie Fernsehen sind (nicht schreien, ich führe diesen Gedanken gleich fort). Ausnahmen gab es natürlich hier und da. Elke Heidenreich und Jürgen von der Lippe durften eine kurze Zeit über Bücher plaudern. Game One wurde auf MTV versteckt gezeigt. Kino-Reportagen sah man am ehesten auf Tele 5 oder in Form von Marketing-gerechten Making-Ofs, eingequetscht zwischen Samstag-Vormittags-Werbung. Und GIGA wagte es als kompletter Sender, nur über diese Themen zu informieren.

Die Antwort auf meine Frage erhielt ich nie. Vermutlich weil der Fehler bereits in der Fragestellung lag. Denn letztlich ist es so offensichtlich. Kino, Spiele, Multimedia und Literatur sind nicht mindestens so interessant wie das deutsche Fernsehen, sondern um ein vielfaches interessanter. Interaktiver. Sozialer. Verbindender. Spannender. Daher scheint sich das deutsche Fernsehen nah an den Leitspruch „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“ zu halten. Weshalb sollte Fernsehen ein Interesse daran haben, auf alle Alternativen des Medienkonsums hinzuweisen? Die deutsche Bahn verteilt schließlich auch keine Flyer in ihren Zügen, die alle Vorteile des Autofahrens lobpreisen. Das Fernsehen sägt nicht am Ast, auf dem es sitzt.

Umso spannender wäre nun mehr die Frage, weshalb es aber doch immer wieder zaghafte (und laut Fernsehmachern erfolglose) Versuche gibt, spannende Sendungen über andere Medien zu produzieren. „Was liest Du?“ und „Lesen“ waren wunderbare Konzepte, die weit über amazons „Kunden, die dieses Buch kauften, kauften auch…“ hinaus gingen. „Neues“ auf 3Sat bot eine wunderbare Mischung aus Technik, Internet und Geekness. Game One  informierte und unterhielt aufs vortrefflichste mit klugen und frechen Beiträgen, die von Game-Liebhabern gemacht wurden. Und leider würde ich nun gerne noch eine bemerkenswerte Kino-Sendung aufführen, doch kann ich mich seit Sabine Sauer im ZDF an nichts Herausragendes mehr erinnern (und auch dies war wohl nur deshalb herausragend, weil ich damals jung und unschuldig war). All die genannten Produktionen verschwanden wieder vom Bildschirm, wurden kastriert oder immer weiter im Spät-Programm versteckt, damit es bloß kein Zuschauer finden möge. Der oben genannte Sender GIGA wurde zum Internet-Auftritt herunter destilliert.

Sagte ich zu Beginn, dass ich mich noch vor einigen Jahren fragte, weshalb die deutsche Fernsehlandschaft nichts derartiges mehr biete, so sieht das mittlerweile anders aus. Fernsehen muss gar nicht mehr über Bücher, Games und Kino informieren. Diesen Part hat mittlerweile das Internet wunderbar übernommen. Blogs, Youtube, amazon, Podcasts – es gibt eine schier unüberschaubare Anzahl an Möglichkeiten, wirklich alles über sein Lieblings-Medium zu erfahren. Social-Media hat den Platz der Anpreisung und Empfehlung übernommen. Und in einer Zeit, in der News in der Sekunde auf dem Smartphone erscheinen, in der sie passieren, haben altertümliche TV-Sendungen, die erst eine Woche später darüber berichten können, ihre Berechtigung als Informationsquelle verloren.

Allein, es gilt eben nicht immer nur den Erwerb von Informationen anzustreben. Hin und wieder möchte man sich auch einfach zurück lehnen und unterhalten werden. Ohne Klicks, ohne Interaktivität. Und es stellt sich die Frage, ob es mangelnder Mut der Macher ist, oder tatsächlich das Desinteresse der Zuschauer, die einfach nur jede Woche einen neuen Superstar oder ein Supermodel finden wollen und sich rechts und links davon für kaum mehr interessieren. Ich mochte es, mir von Lippes Gästen ihre Lieblingsstellen aus Büchern vorlesen zu lassen. Ich mochte (mag) die kleinen verrückten Einspieler bei Game One. Ich mochte die bunte Mischung von Neues. Ich mochte Sabine Sauer.

Deshalb plädiere ich weiter dafür: Liebes deutsches Fernsehen. Versucht es weiter und produziert auch Sendungen über euren Tellerrand hinaus. Die Konkurrenz ist bereits da und ihr müsst keine Angst vor ihr haben oder sie totschweigen. Ihr könnt es, das habt ihr bewiesen. Ihr habt die Kanäle, wie EinsPlus oder ZDF Neo, wo derartige Formate bestens aufgehoben sind. Traut euch wieder.

Nicht unerwähnt bleiben darf hier die neue kleine Sendung namens Reload. Ein knackiges Magazin im Stil von Game One, aber der Hingabe und Liebe der Gee-Macher. Eine absolute Empfehlung von mir und vielleicht auch ein Beispiel dafür, dass es eben doch möglich ist, Qualitätsfernsehen über so etwas „banales“ wie Spiele zu machen. Vielleicht auch bald wieder über Bücher, Kino, Internet und Technik?

Wer weitere Beispiele findet, möge sie mir mitteilen.

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