Ich habe noch eine Stimme – aber mir fehlen die Worte

Ich war nie ein politischer Mensch. Aufgewachsen bin ich in dem Glauben, dass es keinen Unterschied macht, wer an der Macht sitzt. Macht dient nur denen, die sie haben. Also gleich, welche Parteien oder Koalitionen gerade versuchen Deutschland zu regieren, das Endergebnis ist immer das gleiche. Politiker machen, was sie wollen, der Bürger büßt. Das ist natürlich eine sehr negative Einstellung und führt über kurz oder lang zur berühmten Politikverdrossenheit. „Was soll ich schon wählen, ist doch eh alles egal. Wogegen soll ich protestieren? Wofür soll ich kämpfen?“ Alles gleich.

Politik, das war etwas, das andere machten. Worauf ich nur alle vier Jahre Einfluss hatte, indem ich ein Kreuz bei Rot, Schwarz, Gelb oder Grün setzte. Ich hatte eine Stimme und doch blieb ich stumm. Nun, da ich meine Stimme wieder gefunden habe, fehlen mir allerdings die Worte. Fassungslos bin ich, was die derzeitige Bundesregierung, die Politiker, die auch ich gewählt habe, am 18.Juni 2009 beschlossen haben. So ohne Worte, dass andere es viel besser beschreiben können. Zum Beispiel Anke Gröner. Oder Torben Friedrich, ehemaliges Mitglied der SPD seit dem Beschluss des Gesetztes zur Internet-Sperre. (Übrigens nicht der einzige SPD-Politiker, der nach der Abstimmung die Partei verließ) Auch die faz und das Handelsblatt-Blog haben recht lesenswerte Artikel über das neue Gesetz geschrieben.

Mag sein, dass das Geschrei nur im Netz so laut ist (die Generation C-64, die quasi digital aufgewachsen ist). Mag auch sein, dass auch hier wieder viel Polemik und Paranoia mit im Spiel ist (Nein, Deutschland ist nicht China – noch nicht). Fakt ist allerdings auch, dass sich die derzeitige Bundesregierung mit Sicherheit keinen Gefallen getan hat. Man hat Artikel 5 des Grundgesetzes zu Grabe getragen (Zensur findet ab sofort doch statt). Man hat  über 135000 Wählerstimme einfach ignoriert (es war die erfolgreichste Petition ever). Man ist dabei, die Gewaltenteilung, die ein Merkmal unserer Demokratie war, zu zerschlagen. Und dann ist man auch noch so arrogant und blind und tut so, als sei das zum Wohle aller.

Mir fehlen wirklich die Worte. Aber – ich habe meine Stimme noch. Und diese werde ich nutzen. Ab sofort werde ich nicht mehr denken, ich könne nichts ändern, ich werde nicht mehr still da sitzen und irgendjemanden an die Macht kommen lassen. Ich bin mir sicher, dass ich nicht alleine bin. Viele andere haben ihre Stimme ebenfalls wieder gefunden. Und ich muss der derzeitigen Bundesregierung dafür sogar meinen Dank aussprechen. Sie hat mich daran erinnert, dass ich etwas tun muss und etwas tun kann. Wir alle werden unsere Stimme nutzen.

Artikel5

Hier kann übrigens überprüft werden, wie welcher Abgeordnete gestimmt hat. Bildet euch eure Meinung und dann – nutzt eure Stimme.

Neulich las ich übrigens ein sehr schönes Zitat: „Am anderen Ende der Stadt gibt es einen kleinen Laden, der Kinderpornos verkauft. Die Polizei hat die Straßen dorthin gesperrt, der Laden ist aber noch immer geöffnet.“

Kommentare

  1. was bringen Abgeordnete wenn sie nicht abstimmen, das gleiche wie Wähler die nicht wählen gehen sag ich nur!

  2. Sehr interessanter Artikel.. hat mich zum Nachdenken gebracht.

  3. Interessant finde ich, dass sich 18 der Stimme enthalten haben – schliesslich ist es ihr Job etwas zu entscheiden, entweder dafür oder dagegen.
    Und -77- Abgeordnete waren nicht beteiligt, ich nehme an, die waren nicht anwesend. Das ist in meinen Augen eine Frechheit!

  4. Der Kollege

    Ja, ich bin schon froh, einer Partei zugehörig zu sein, die eindeutig dagegen gestimmt hat. Die großen Volksparteien können eh bald keinen Blumentopf mehr gewinnen, wenn so Kleinstparteien wie die stark auf dem Vormarsch sind. Nein, den gehöre ich nicht an – die sind ja auch nicht im Bundestag. Noch nicht.

  5. Und das alles in den Tagen, in denen im TV die Leistung der Opposition im Iran und auch die der Menschen in der DDR 1989 hochgelobt werden.

    Reporter: „Warum nehmen Sie dieses Risiko auf sich?“
    DDR-Ausreisende: „Freiheit!“

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