Lassen Sie mich durch

"Sehr geehrte Fahrgäste. Sollte sich in diesem Zug ein Arzt befinden, so möchten wir ihn bitten, sich im Bistrowagen zu melden. Vielen Dank." Nur wenige Sekunden nach dieser Durchsage hetzen eine Handvoll junge, engagierte Männer durch den Gang. In ihren Gesichtern steht der hippokratische Eid geschrieben, ihre Augen leuchten, ihr Blick ist ernst und fokussiert. Ich hoffe, einer von ihnen trägt den Nachnamen House. Und ich erinnere mich an einen lange gehegten Wunsch. Den, mich durch eine Menschenmenge zu drängeln, die bedeutungsschwangeren Worte "Lassen Sie mich durch. Ich bin Arzt" zu rufen und mit Wohlwollen festzustellen, dass ein jeder zur Seite tritt und Platz schafft. Dieser Wunsch kommt gleich nach dem, mich in einem voll besetzten Lokal an den dort stehenden Flügel zu setzen, eine Elton-John-Performance hinzulegen und damit alle anwesenden Damen heiß und die Männer neidisch zu machen. Hach ja. Dann beobachte ich weiter die Regentropfen an der Scheibe, die Spermien gleich zu einem Ei im hinteren Zugteil eilen.

Kommentare

  1. Echt? Erzähl!

  2. MrsWilliams

    am Sonntag halfen mir auch die Worte „lassen sie mich durch, ich bin Ersthelfer“… und danach hab ich mich gut gefühlt, auch wenn ich dick Gänsehaut hatte :-)

  3. Bedingt durch meinen damaligen Job hatte ich die Gelegenheit einen Großteil der Ärzte in der Region zu besuchen was mein Bild dieses Berufsbildes nachhaltig beschädigt hat.

    Zudem sind einige meiner besten Freunde Mediziner und bestätigen gerne, dass die meisten modernen Ärzte den hippokratischen Eid für etwas aus dem Überraschungsei halten.

  4. Lass mich Arzt, ich bin durch :-)

  5. Nein, konnte ich nicht. Und ich denke auch nicht, dass alle Ärzte dieser Welt von Narzissmus geblendet sind und darüber einen Menschen seinem Schicksal überlassen.

  6. Konntest du auch die Szene im Bistrowagen beobachten, als die engagierten Mediziner sich beim gegenseitigen Wetteifern ihrem berufsständischem Narzissmus ergaben und im Streit versanken, während das eigentliche Objekt ihres professionellen Handelns von Mitropamitarbeitern sanft in den Tod geschaukelt wurde?

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