Unser aller Untergang

Gestern Abend lief im ersten deutschen öffentlichen Fernsehen der zweite Teil des Spielfilms „Der Untergang“. Die letzten Tage von Adolf Hitler. Diesmal im verlängerten Director’s (Diktator’s) Cut. Meine Frage diesbezüglich: Wozu? Ich fand den Film in seiner ursprünglichen Länge schon mehr als quälend. Manch einer wird da vielleicht sagen, daß er das ja auch sein sollte, aber mir geht es dabei um etwas anderes.

Ich frage mich nämlich, wann es Deutschland endlich schafft, von ihrem Führer los zu kommen. Wieviele Filme über die Nazi Zeit können wir noch ertragen? Wieviele Hitler Biographien im ZDF? Wie oft kommen noch neue Enthüllungen und Retrospektiven im Stil von „Hitlers Frauen“ , „Hitlers Hunde“, „Hitlers Badeschaum“? Wieviele Filme muß ich mir über die, selbstverständlich grausame, NS Zeit antun? Bis mein schlechtes Gewissen der Welt gegenüber so groß ist, daß ich mich nicht mehr aus dem Haus traue?

Es steht vollkommen außer Frage, daß man nichts verschweigen sollte, was damals an Grausamkeit geschah. Und es sollte natürlich auch nichts in Vergessenheit geraten, nicht zuletzt, um dafür zu sorgen, daß etwas derartiges nie wieder vorkommt. Aber ich werde den Gedanken nicht los, daß der Deutsche an sich mit seinem schlechten Gewissen einfach nicht klar kommt und der Welt immer wieder aufs Neue erklären muß, wie schlecht er (der Deutsche) ist. Und das nur, weil es damals ein Arschloch gab, das so schlecht war (und der war nicht mal Deutscher).

Ich gehöre einer Generation an, die sich mit diesem Thema zur Genüge auseinandergesetzt hat. Und die beschloßen hat, sich nicht mehr schuldig zu fühlen was damals geschehen ist. Und ich möchte noch einmal betonen, sich nicht zu schuldig zu fühlen ist nicht gleichbedeutend mit „es ist mir scheißegal“.
Wir sind uns unserer Verantwortung und unserer Rolle in dieser Welt wohl bewußt. Und unsere Rolle kann nicht die sein, sich bis ans Lebensende für etwas zu schämen, an dem wir nichts weiter ändern können, als zu verhindern, daß es irgendwann einmal wieder geschieht.

Das ist schlußendlich auch der Grund, weshalb ich nicht noch mehr Filme über Hitler, über die Nazis und dieses ganze Gesocks ertrage. Ich finde, daß wir mittlerweile alles gesehen, alles erfahren, alles gehört und gelesen haben, was es zu diesem schrecklichen Thema zu sagen gibt. (Da werden mir bestimmt sehr viele widersprechen, ich weiß). Zumindest genug um uns über die Tragweite bewußt zu sein. Und von mir aus kann ARD und ZDF zu den üblichen Jahrestagen immer wieder neue Berichte zeigen.

Aber hört endlich auf, euch in der Welt mit Filmen wie „Der Untergang“ zu präsentieren. Als der Film in das Rennen um den internationalen Oscar ging, dachte ich nur bei mir: „Na toll. Deutschland kommt mal wieder mit einem Nazi Film daher. Die Amerikaner (von denen viele eine so schlechte Schulbildung haben, daß in ländlichen Gegenden noch die Meinung vorherrscht, in Europa herrsche immer noch Krieg) werden sich ihr Bild wieder von uns bösen Deutschen machen, die einfach nicht aufhören können, ihren großen Führer ins Bild zu setzen.“ Selbst wenn es in dem Film darum geht, wie der ganze Dreck den Bach hinab geht.

Als ich den Film gesehen habe, mußte ich mich natürlich fragen, was der Regisseur damit bezwecken wollte. Mitleid erregen? Die menschliche Seite Hitlers und des Regimes zu zeigen? Was sollten wir Zuschauer dabei tun? Uns denken „Ach Gott, die Armen, die wussten es halt nicht besser. Sind halt irgendwie auf die falsche Spur geraten. Nun lasst sie doch mal in Ruhe. Menno.“?

Oder wollte man uns mit dem Film einfach wirklich nur zeigen, was in den letzten Stunden des Regimes geschah? Ohne Hintergedanken?

Gut, okay. Aber warum nun vier Stunden lang? Wer soll sich das anschauen? Die Rentner, die es damals leider am eigenen Leib erfahren haben, wie Hitler Deutschland ins Verderben führte? Oder die jüngeren Generationen, die sich, so wie ich, nur denken: „Wat macht’n der nuschelnde Onkel da die ganze Zeit?“

Ich quälte mich durch den Film und als Hitler sich endlich erschoß, nahm ich erleichtert einen Schluck (amerikanische) Cola und lächelte, weil der Arsch endlich tot war. Und dann ging der Film immer noch ’ne Stunde um mir zu zeigen, wie sich auch die ganzen anderen Ärsche das Leben nehmen, nebst Kindern und Mitarbeitern. Tja, Leute, dumm gelaufen, oder?
Ich bin mal gespannt, ob mir jemand mitteilen kann, was man uns mit diesem Film sagen wollte. Ich freue mich auf angeregte Diskussionen. Denn auch das ist eine Form, niemals zu vergessen was geschehen ist. Indem man darüber spricht. Indem man gemeinsam herausfindet, was schief gelaufen ist und danach dementsprechend handelt. Und nicht indem man immer und immer wieder den gleichen Schuldenberg vorgesetzt bekommt.

Kommentare

  1. allesroger.net

    Okay, ich spare mir an dieser Stelle, über die Oscar Verleihung der letzten Nacht zu berichten. Jeder, der sich auch nur ansatzweise für Filme interessiert, hat es entweder gesehen, oder mittlerweile erfahren, wer welchen Oscar mit nach Hause nehmen kon

  2. Mit Sicherheit, gibt es für die Geschehnisse damals keine eindeutigen Schuldzuweisungen. Und ich kann mir auch nicht anmaßen, irgendjemanden zu verurteilen. Dennoch versteh ich ehrlich gesagt nicht, wieso alle von einem schlechten Gewissen sprechen, daß man Euch eintrichtert. Also ich habe auch kein schlechtes Gewissen und ich schäme mich auch nicht dafür in Deutschland geboren zu sein. Ich kann mich logischerweise nur für die Taten verantwortlich fühlen, die ich selbst begangen habe. Trotz allem kann ich aber doch nicht die Geschichte verleugnen. Es war halt nun mal so. Und ich denke, zu Erkennen, wozu der Mensch an sich in der Lage ist und wie unvollkommen wir doch alle sind, das erst wird uns irgendwie in unserer Entwicklung weiterbringen.
    Und wem dies alles zu viel ist, der soll doch bitte einfach den Auschaltknopf betätigen ;-)

  3. Nicht die Deutschen haben diese Greultaten zugelassen, sondern die ganze Welt. Alle wußten was in unsrem Land passiert und alle haben die Augen davor verschlossen. Es hätte nie so weit kommen müssen, wenn die späteren Alliirten nicht so feige gewesen wären. Und unser ganzes Volk dafür verantwortlich zu machen (und das schon seit 60 Jahren) ist auch nicht richtig. Es waren ein paar handvoll machtgeiler Männer, die dem armen Soldaten an der Front oder der Mutter Bzw. Frau die ums Überleben kämpften bestimmt nicht gesagt haben was vor sich geht.
    Aber das traurigste daran ist, daß wir uns immer wieder selbst daran erinnern und uns selber madig machen. Da bin ich mit Roger einer Meinung. Wozu??? Die Verantwortlichen sind fast alle tot. Und ich fühle mich nicht dafür verantwortlich. Ich bin nur wütend wie
    wir uns im Ausland immer so demütig verhalten. Krieg ist immer Scheiße!! Wie lange sollen wir uns noch in aller Welt entschuldigen. Haben sich die anderen denn jemals fürs Wegsehen entschuldigt? Hat sich Amerika jemals für Korea, Vietnam, Irak etc.
    entschuldigt? Hat sich Israel jemals bei den
    Palestinänsern entschuldigt? So könnte es endlos weiter gehen. Hört endlich auf ein schlechtes Gewissen zu haben und sorgt einfach dafür, daß sowas nie wieder passiert.

  4. Welche demokratische Tradition du hier meinst ist mir nicht ganz klar. Was ich mit diesem Artikel sagen wollte, war weniger die Schuldfrage damals, als eher die Frage des schlechten Gewissens heute. Schuld an der ganzen Misere haben wohl nicht nur ein Österreicher oder ein Volk, daß sich hat blenden lassen. Wenn überhaupt hat die ganze Welt Schuld, die zu lange zugeschaut hat und erst im letzten Moment, als Hitler zu mächtig geworden wäre, eingegriffen hat und somit auch einen schönen Sündenbock geschaffen hatte. Und diese Sünde wird uns heute noch auferlegt. Greueltaten in welcher Form auch immer kommern auch heute noch auf der ganzen Welt vor. Hat sich die USA jemals schuldig gefühlt oder sich entschuldigt für irgendeinen Krieg in den letzten Jahrzehnten? (Nur als kleines Beispiel, man könnte diese Liste natürlich durchaus verlängern).
    Was diese fehlgeleiteten Naturen betrifft, die noch heute solche Parolen brüllen: Man sollte dieses Pack nicht mit dem „deutschen Volk“ gleichsetzen und darin einen Grund sehen, weiterhin duckmäuserisch da zu stehen. Aufklärung hilft bei solchen Idioten meines Erachtens nicht, die fühlen sich dadurch eher bestätigt und aufgegeilt. Aber es gilt heute mehr denn je, das zu tun, was damals leider versäumt wurde: dieses rechte Pack in Schach zu halten und mit Stolz sagen zu können, das sowas wie die nie wieder einen Fuß auf den Boden kriegen.

  5. Yep-da hab ich mich wohl verschrieben! Sorry! Aufklärung ist eines-aber ein schlechtes Gewissen eintrichtern wollen ist etwas anderes. Was hat denn Stalin alles getan; bekommen das die heutigen Russen ständig vor die Nase gesetzt und sagt man deshalb „die Russen“?? Ich denke nicht. Irgendwann muss ! es auch endlich mal Geschichte sein und nicht immer noch Gegenwart. Statt eines Millionen-Denkmals in Berlin für die Juden sollte unser Staat sich mal lieber um unser Elend im Land kümmern. Solange wir noch Obdachlase haben sollten wir uns darum kümmern und nicht um Entschädigungen für die überlebenden Juden. Meine Uroma hat 4 Jahre Ausschwitz überlebt und ich kann trotzdem nichts für ihr Schicksal und -zig Millionen schlechte Gewissen können diese Jahre nicht ungeschehen machen. Aber die heutige Generation hat damit nichts zu tun und das waren Worte von ihr an meine Eltern.

  6. Ist es nicht etwas leichtfertig alles auf die Person Adolf Hitler zu schieben? Egal ob er in Österreich geboren ist, oder nicht, Tatsache bleibt doch, daß das „deutsche Volk“ diese Greueltaten zugelaßen hat. Und zwar, weil es bei uns nie wirklich eine demokratische Tradition, wie in Frankreich oder England gegeben hat. Ich denke wir müssen einfach akzeptieren, daß diese schreckliche Zeit zu unserer Geschichte gehört und nun mal historische Tatsache ist. Und solange ich noch in meinem Briefkasten irgendwelche NS-Parolen finde und Jugendliche mit Nazi- Symbolen durch die Stadt marschieren, ist Aufklärung, in welcher Form auch immer, wohl mehr als nötig.
    Der Film heißt übrigens „Schindlers Liste“
    ;-)

  7. Hallo Roger,
    da hast Du aber mal schön recht. Ich bin auch der Meinung, dass weder wir, noch die Generation unserer Eltern etwas für Hitlers Gebahren können bzw. konnten. Ich habe den Film aus Protest gar nicht angeschaut und mir außer Hitlers Liste auch keinen anderen derartigen Film angesehen. Es reicht!!! Mehr braucht man dazu einfach nicht zu sagen! Nicht vergessen und dafür Sorge zu tragen das so ein Volltrottel nicht wieder an die Macht kommt ist genug getan in dieser Sache! Dafür haben wir aber unser Grundgesetz, welches soetwas ohnehin im Keime ersticken lassen würde. Fest steht ja ohnehin: Hitler war ein Österreicher und kein Deutscher und ich glaube kaum, dass in Österreich soviel Trara um diese Sache gemacht wird wie hier. Es heißt nämlich immer nur: Die Deutschen! Mit welcher Berechtigung? Nur weil wir das Land waren in dem dieser Bekloppte gelebt und versucht hat die ganze Welt erobern zu wollen?? Wir können dafür definitiv nichts und wir können es auch nicht mehr ändern. Schämen sollten wir uns vielmehr über diverse Landsmännern die sich in der heutigen Zeit völlig daneben benehmen-sei es hier oder besser noch im Ausland (siehe all-inclusive-Hotels,12 Uhr mittags an der Bar, mit Jogging-Anzug, weißen Socken und Assiletten, an der Bar lehnend, Bier trinkend und Karten spielend und sich dann noch im Suff beschweren, dass es zum Essen kein Schnitzel mit Pommes gibt-!gesehen in der Türkei!).
    :-( DAS ist dann wirklich peinlich und dies wäre mehr Grund sich zu schämen ein Deutscher zu sein! Oder etwa nicht? ;-)

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