Young@Heart

Disclaimer: Dies ist ein dot-friends.com Review.

Nein, die Band, die den Song geschrieben hat, heißt nicht Crash. Und die CD muss so in den Player gelegt werden, dass die spiegelnde Seite nach unten zeigt. So manches ist den Senioren fremd, die sich mehrmals die Woche treffen, um ihren nächsten großen Auftritt zu proben. Sie alle gehören zum Ensemble des Young@Heart-Chors. Kaum einer der Mitglieder ist unter 80 Jahren alt. Doch das ist nicht das erstaunliche an dem Chor. Sondern die Auswahl der Songs, die sie vortragen. Eigentlich nicht ihrer Altersklasse entsprechend, studieren sie Rock- und Pop-Songs ein, Punk und Soul ist ihnen ebenfalls nicht fremd. Obwohl – eigentlich ist ihnen das alles so fremd, dass die Auftritte erfrischend anders, schräg aber doch wundervoll authentisch klingen.

Stephen Walker begleitete und filmte den äußerst erfolgreichen Chor mehrere Wochen bei den Proben. In dieser Zeit probten die Senioren für den nächsten Auftritt in ihrer Heimatstadt und die Kamera ist von Anfang an dabei, wenn Bob, der Chorleiter die neuen Songs vorstellt, die es zu lernen gilt. Im Laufe des Films lernt man einige der Sänger näher kennen. Estelle, die ehemalige Stripperin oder Joe, der jeden Text innerhalb eines Nachmittags auswendig kann. Jeder von ihnen ist ein herrliches Original. Ihnen allen gemein ist die Liebe und die Begeisterung für das Singen. Kaum einer von ihnen kann es wirklich gut, aber dafür mit umso mehr Inbrunst.

Walker begleitet den Chor, lässt seine Hauptpersonen im Interview zu Wort kommen und entlockt ihnen so manches Bonmot und wunderbare Anekdoten. Sie erzählen, wie wichtig es ihnen ist, Mitglied des Chors zu sein, welche Kraft ihnen das gibt. Sie zeigen sich teils fast jugendlich verspielt und übermütig. Sehr schnell gewinnt man als Zuschauer jeden Einzelnen lieb. Was auch gewisse Gefahren birgt.

Denn nicht nur die Leidenschaft für den Chor ist den Senioren gemein, sondern auch die unumgängliche Nähe zum Tod. So trifft es einen bis ins Mark, wenn Bob Silvani nach langem, schwerem Kampf letztlich doch verstirbt. Und man kann sich der Tränen spätestens dann nicht mehr erwehren, wenn der Chor eine Stunde nach Erhalt der Nachricht über den Tod ihres Freundes in einem Gefängnis den Häftlingen „Forever Young“ von Bob Dylan vorsingt. Und die Knackis wie versteinert dreinblicken.

Die Dokumentation bietet überraschend viele solcher Momente, in denen sich die Stimmung schlagartig ändert. Teils weiß man gar nicht mehr, ob man aus Trauer weint, oder weil man so entzückt ist ,oder weil wieder etwas so unfassbar lustiges passiert ist. Ich habe es schon so oft geschrieben, dieses Zitat „der hat kein Herz“ aber ich nutze es gerne wieder. Wer spätestens bei Coldplays „Fix You“, das eigentlich ein Duett hätte sein sollen, nicht weint, der hat kein Herz.

Irgendwann sagt Joe, es sei der Gesang, der ihn so lange am Leben gehalten hätte. Dieses Ziel, wieder auf der Bühne zu stehen und dort das Publikum zu verzücken. Die Kamera entfernt sich dabei von ihm, während er seine sechste Bluttransfusion erhält und man bereits weiß, dass der Krebs wieder da ist. Für einen Moment bleibt alles still.

Young@Heart ist ein wunderbarer Film, nicht nur über einen Chor von Senioren. Er ist eine Ode an die Leidenschaft, ein Lobgesang auf das Älterwerden mit Freude und Lust. Ein Denkmal gegen das Aufgeben und für die Begeisterung für das Leben an sich. Am Ende sagt eine der Zuschauerin: „Ich werde mich nie wieder darüber beklagen, älter zu werden oder mich müde zu fühlen.“ Dem kann ich nur zustimmen. Alt werden ist nach diesem Film nur noch halb so schlimm.

https://youtube.com/watch?v=CjnfoFg7i7g%3Fcbrd%3D1%26ucbcb%3D1

Genau so sollen Kinofilme sein. Sie sollen interessante Geschichten erzählen, mit interessanten Darstellern und sie sollen einen zum lachen und zum weinen bringen. Manchmal glaube ich doch daran, dass Kino nicht verloren ist. Übrigens fand ich es sehr begrüßenswert, dass lediglich die Stimme des Erzählers synchronisiert und die Dialoge, Interviews und Gesänge im englischen (untertitelten) Original belassen wurden.

Kommentare

  1. Ja, ich weiß. Niemand liest meine Filmkritiken. :-( Zumindest sagt fast nie jemand was dazu. Plöööd. Guck dir den Film an! Dann kannst du ja wieder gegen mich wettern wie bei Juno. ;-)

  2. Nee, scherz, aus Tradition :)

    Hab davon auch schon gelesen und überlegt, es mir anzusehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert